Women on Street – Peter Lindbergh and Garry Winogrand

It‘s long time ago (around 2000) I visited Hamburg to interview the famous fashion photographer Peter Lindbergh. A good friend of mine and I were working on a radio feature about “Beauty” and so we thought it would be smart to ask him for an interview. Who else should know more about that delicate subject than Lindbergh who with his earthy and saturated black-and-white-pictures had transformed young models like Linda Evangelista, Naomi Campbell or Christy Turlington into “Supermodels”. Anyway, I had to wait quite a long time in the museum to get him interviewed, because a bunch of television crews asked Peter Lindbergh to do this and that, and the famous photographer, although obviously jetlagged and tired, was friendly and professional enough to follow their desires. In between he had to welcome two shady looking Italians with quite long and curly hair who seemed to manage model agencies. I was standing at the periphery of the big exhibition space and – waited. After about two hours a press agent helped smuggling Lindbergh to me and the famous photographer welcomed me with a firm handshake and seemed to be really sorry, that I had to wait that long. We went together to one of the smaller exhibition rooms which was quite dark and really silent and although you could tell from the look on his face how tired he was, Lindbergh was kind and completely unpretentious. Our talk was pleasant – eventually a young, very good looking man with shiny black hair in a black dress entered the room, maybe one of his assistants, in his hands a black Leica M6. He took some pictures of us: Peter Lindbergh lounging heavily in his chair, me sitting at his feet, with a microphone in my hand, thinking which of his words could be used in the radio feature about ‘beauty’. In the end, there weren’t many, as it always seems easier to create beauty than to find words for it. I remembered that meeting a few weeks ago, when I travelled to Duesseldorf to see an exhibition in the NRW-Forum: “Women on Street”. It combines real street photography from Garry Winogrand, one manic master of this genre, with the ‘staged’ fashion street shots of Peter Lindbergh.  Both in black and white. And besides that there is just one thing they have in common: they show women in the streets of New York. In the case of Winogrand the images were created in the 60’s, so you can see a lot of miniskirts and hairstyles reminding you of Doris Day. In the case of Lindbergh, the pictures were made some 30 years later, and most of them show one blonde model, and the streets are nothing else than the background for the celebration of her beauty, a trendy replacement for the studio.  It’s a kind of one-day-one-shooting situation, whereas Winogrand hit the street every day for years and years. After his death many thousands of undeveloped film rolls were found in his apartment. Before he grabbed his camera (ususally a Leica M4 with a 28mm lens) to take pictures, he wouldn’t know what he would get. And his well-trained instinct enabled him to spot interesting characters and storytelling situations in the never-ending stream of people in a split second. Instinct and responsiveness – that’s Winogrand. And Lindbergh? Once again he managed to create the impression of soul, of emotion in the face, the gestures of a model – however in a shooting, where most of the parameters were controlled by himself: time, space and most of all: who he would get in front of his lens. Garry Winogrand disgorged his fishing rod and could never know in advance what kind of fish would bite – and if any fish would bite at all. Lindbergh already had a beautiful fish hanging from his line, before he went fishing. Of course that’s not street photography at all. But you almost certainly will get pictures that breathe – beauty.

As always: please forgive my bad English.

German text under the pictures.

 

Es ist lange her, um das Millennium etwa, als ich nach Hamburg fuhr. Ich wollte den Fotografen Peter Lindbergh interviewen, der aus New York angereist war, um eine große Ausstellung zu eröffnen. Zu der Zeit schrieb ich zusammen mit einem Freund an einem Radio-Feature zum Thema ‚Schönheit‘. Wer sollte treffsicherer zu diesem Thema sprechen können als jener Fotograf, der mit seinen atmosphärischen, sehr satten und erdigen Schwarzweiß-Aufnahmen überhaupt erst die „Supermodels“ erschaffen hatte, die Riege von jungen Frauen wie Linda Evangelista, Naomi Campbell und Christy Turlington, die eine Zeit lang wichtiger schienen als die Labels der Designer, deren Kleider sie trugen. Ich musste lange ziemlich lang auf das Gespräch warten, weil erst die Fernseh-Teams ihre Bilder und Töne vom Starfotografen einforderten. Lindbergh folgte den pausenlosen Bitten der Fernsehteams. Zwischendurch begrüßte er herzlich zwei sehr elegant und durchaus zwielichtig aussehende Italiener mit längeren lockigen Haaren, die, wie ich mitbekam, Model-Agenturen vorstanden. Ich stand währenddessen am Rand, sah zu und wartete. Nach insgesamt vielleicht zwei Stunden schleuste ihn die Presseagentin auf mich zu und Lindbergh begrüßte mich mit einem festen Handschlag und den Worten: ‚Mensch, ich habe sie doch schon vor Stunden hier stehen sehen, das tut mir leid, dass sie so lange warten mussten‘. Wir begaben uns in einen der ruhigen kleineren Ausstellungsräume und trotz der in seinem Gesicht ablesbaren Müdigkeit war Lindbergh so unprätentiös und zugewandt, dass ich das Gefühl hatte, einem Menschen gegenüber zu sitzen, der sehr mit sich im reinen war. Unser Gespräch verlief denkbar angenehm – irgendwann kam junger,  gut aussehender, ganz in schwarz gekleideter Assistent mit einer schwarzen Leica M6 in den spärlich beleuchteten Raum und machte Fotos von uns: Peter Lindbergh schwer und wuchtig auf einem schmalen Stuhl, ich zu seinen Füßen, mit einem Mikrophon in der Hand und im Kopf schon die gerade gemachten Aussagen sortierend nach ihrer Brauchbarkeit für unsere Radiosendung über ‚Schönheit‘. Leider gab es davon am Ende nicht viele – es scheint immer leichter zu sein, Schönheit zu kreieren als sie in Worte zu fassen.  Die Begegnung aber ist mir stark in Erinnerung geblieben, weil mir da ein sehr erfolgreicher, sehr kreativer Mann gegenüber saß, der kein Gewese um sich und seine Person machte. Der inmitten einer ziemlich abgehobenen Szene völlig bodenständig schien. An diese Begegnung jedenfalls musste ich denken, als ich vor kurzem nach Düsseldorf fuhr, um eine Ausstellung im NRW-Forum mit dem Titel: ‚Women on Street‘ zu besuchen, die den Versuch unternahm, die Straßenfotografien des manischen Garry Winogrand mit den als ‚Street Photography‘ inszenierten Modefotografien Lindberghs zu kombinieren, um sie in ein Spannungsverhältnis zu setzen. Das jedenfalls ist gründlich misslungen. Manchmal hilft ja die äußere Verwandtschaft von Dingen, um die wesentlichen Unterschiede erst sichtbar zu machen. Die Gemeinsamkeit der Schwarzweiß-Fotos von Winogrand und Lindbergh besteht lediglich darin, dass sie Frauen in den Straßen New Yorks zeigen. Winogrand hat seine ‚Women on Street‘ in den 60ern aufgenommen, man sieht die typischen Miniröcke und Turmfrisuren, die sofort Erinnerungen an Doris Day wachrufen. Auf Lindberghs Fotografien ist meist eine Frau zu sehen, ein blondes Model, für dessen Schönheit die Straßen New Yorks den Hintergrund abgeben. Ein trendiger Ersatz für das Studio. Und das ist dann auch der wesentliche Unterschied. Winogrand hat über Jahre manisch die Straßen aufgesucht, in seinem Nachlass wurden Tausende nicht entwickelter Filmrollen gefunden. Bevor er jeden Tag auf’s Neue loszog, konnte er nicht wissen, was er auf den Straßen vorfinden würde. Und sein ganzer Instinkt, seine Technik bestand darin, in diesem unaufhörlichen Strom schnell Menschen auszumachen und Situationen, die er attraktiv, die er bildwürdig fand. Instinkt, Schnelligkeit in unberechenbaren Situationen: Garry Winogrand. Und Lindbergh? Schafft es auch hier, den Eindruck von Emotionen, von Beseeltheit in seinem Model hervorzurufen – allerdings während eines Shootings, in dem fast alle Parameter  von ihm kontrolliert werden. Zeit, Raum – und vor allem: wen er da vor die Linse kriegt. Garry Winogrand warf seine Angel aus und wusste nicht, was für Fische anbeißen würden – und ob überhaupt. Peter Lindbergh hatte schon einen sehr schönen Fisch am Haken, bevor er die Angel auswarf. Das ist natürlich keine Street Photography, aber ganz sicher eine Garantie dafür, Bilder zu produzieren, die zumindest eines zeigen: Schönheit.

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