Venedig. Königin der Adria. Dreimal war ich bisher dort. Das erste Mal Ende der 80er Jahre, zusammen mit einem Freund, es war kalt, ich erinnere eine kleine Brücke, auf der ich eine zweite Jacke anzog, die ich kurz vorher in Thessaloniki gekauft hatte. Olivgrün war sie, und gut gefüttert. Auch beim zweiten Mal, als ich zusammen mit Esther dort war, das ist vielleicht 30 Jahre her, war Winterzeit. Woran erinnere ich mich? An die durchdringende Feuchtigkeit etwa. An den starken Kaffee, den der Hotelier uns reichte. An das Nasenbluten, das ich daraufhin bekam. An abendliche Spaziergänge durch dunkle Gassen, wo wir nur das Hallen unserer Schritte hörten. Den grauen Nebel über den Kanälen. Dabei Bilder von Ian McEwans Venedig- Roman „Der Trost von Fremden“ im Kopf. Wir schienen zu diesen Stunden fast allein in der Stadt zu sein. Ab und an tauchten Menschen mit schönen Masken auf, der Karneval streckte schon seine langen, schlanken Finger aus. Das alles ist lange vorbei. In diesem Jahr sah ich vor allem: sehr viele Touristen. Und spürte vor allem: das Ausbleiben jener Überwältigung, die Venedig bedeutet, wenn man die Stadt zum ersten Mal sieht. Vor allem sieht. Das Schaukeln der Gondeln vor dem Markusplatz, den Canal Grande und die Rialtobrücke. Die Palazzi. Andere, subtilere Wahrnehmungen traten an die Stelle, andere Sinne sind geschärft. Eher die kleinen Dinge, manchmal die, die man gar nicht sieht. Das sanfte Schwanken der Haltestellen für das Vaporetto in Fondamente Nove, das mich zur Friedhofsinsel San Michele bringen sollte. Oder der leicht faulige Geruch der Kanäle. Aber kalt war war mir auch diesmal. Jedenfalls in meinem Hotelzimmer in der ersten Nacht, die ich diesmal allein in der Stadt verbrachte. Es war kühl and klamm, die Decke nicht dick genug für meinen Geschmack. Noch bedenklicher: das winzige Bed&Breakfast Hotel in S. Croce war so versteckt inmitten labyrinthisch angelegter Gässchen, dass ich das Zimmer am ersten Abend nicht verließ, weil ich fürchtete, es nicht wiederzufinden. Werden das einmal die Erinnerungen an meinen dritten Venedig-Aufenthalt sein? Oder doch eher die warmen Begegnungen mit Einheimischen am nächsten Tag, als die Sonne strahlend schien. So nahm ein älterer Herr mit mir Schritt auf, und ging eine kurze Weile neben mir spazieren und sprach Italienisch auf mich ein, im festen Glauben, ich sei ein Sohn der Stadt. Ich reimte mir zusammen, dass das zarte Hündchen, das er an der Leine führte, den Namen „Iron“ trägt- er sprach es ‚Eionn’ aus. Ich weiß nicht, was hängen bleiben wird. Ganz bestimmt aber die Einsamkeit und Stille inmitten des Friedhofs von San Michele. Nur das Brummen der Vaporetti in der Lagune war zu hören. Und das Zwitschern der Vögel.











Venice. Queen of the Adriatic. I’ve been there three times so far. The first time in the 90s, together with a friend, it was cold, I put on a second jacket that I had bought in Thessaloniki a short time before. It was olive green and well fed. The second time I was there with Esther, maybe 20 years ago, it was winter time. What do I remember? About the penetrating moisture. The strong coffee that the hotelier gave us. The nosebleed I got as a result. Of evening walks through dark alleys, where we only heard the echo of our footsteps. The gray mist over the canals. Images of Ian McEwan’s Venice novel „The Comfort of Strangers“ in mind. We seemed almost alone in the city at this hour. Now and then people with beautiful masks appeared, the carnival was already stretching out its long, slender fingers. All of that is long gone. This year I saw above all: a lot of tourists. And felt above all: the lack of that overwhelming Venice means when you see the city for the first time. Above all sees. The rocking of the gondolas in front of St. Mark’s Square, the Grand Canal and the Rialto Bridge. The Palazzi. Other, more subtle perceptions took their place, other senses are sharpened. Rather the small things, sometimes the ones that you don’t even see. The gentle swaying of the stops for the vaporetto in Fondamente Nove that was supposed to take me to the cemetery island of San Michele. Or the slightly putrid smell of the canals. But I was cold this time too. At least in my hotel room the first night I spent this time alone in the city. It was cool and clammy, the blanket not thick enough for my liking. Worse still, the tiny bed and breakfast hotel in S. Croce was so tucked away amid labyrinthine alleyways that I didn’t leave the room the first night for fear of not finding it again. Will these be the memories of my third stay in Venice? Or rather the warm encounters with locals the next day? For example an elderly gentleman who walked next to me, talking Italian to me, believing that I was a native of the city. That’s how I found out that the delicate puppy he was walking on a leash was called „Iron“ – he pronounced it „Eionn“. I don’t know what will stick. But definitely the solitude and silence in the middle of the cemetery of San Michele. Only the hum of the vaporetti in the lagoon could be heard. And the chirping of the birds.